Mögliche Motivationsfaktoren für Wirtschaftskriminalität

Micha Lienhardt • Apr. 25, 2022

Mögliche Motivationsfaktoren für Wirtschaftskriminalität

Die Wirtschaftskriminalität ist ein Thema, wovon grundsätzlich jede Organisation betroffen sein könnte. Um besser verstehen zu können, was mögliche Motive für die Verletzung ethischer Richtlinien oder von Compliance-Richtlinien sind, gehen wir in diesem Beitrag näher auf diese ein (Heissner, 2014):


Motiv: soziales Statusstreben

Jeder will erfolgreich sein und seinen Lebensstandard halten oder verbessern. Dies ist meistens mit dem Streben nach sozialem Status und Anerkennung verbunden.


Motiv: Notlagen und Verpflichtungsgefühl

Finanzielle Notlagen können Menschen in Situationen bringen, in denen sie wirtschaftliche Straftaten begehen oder sich einen Weg suchen, um in kurzer Zeit ein zusätzliches Einkommen zu generieren.


Motiv: Hörigkeit gegenüber Autoritäten

Auch Autoritätshörigkeit kann ein Motiv sein, abweichend zu handeln. Wenn alle Anweisungen von Vorgesetzten vorbehaltlos ausgeführt werden – wie es in vielen Konzernen gängig ist – steigt das Korruptions- und Betrugsrisiko. Denn ein anonymes Melden und Anzeigen solcher Handlungen wie durch Whistleblowing-Systeme wird hier nicht als Aufrichtigkeit, sondern als Verrat erlebt.


Motiv: Pragmatismus

Betriebswirtschaftlicher Pragmatismus kann auch zum Motiv wirtschaftskrimineller Handlungen werden, wenn zum Beispiel an einen Verkäufer eines grossen Baukonzerns gedacht wird, welcher schon 20 Jahre oder länger für sein Unternehmen tätig ist und eine gewisse Routine entwickelt hat, die ‹Tricks› beinhaltet, um beispielsweise Prozesse zu umgehen oder mit Gefälligkeiten Aufträge zu erhalten.


Motiv: Unwissenheit

Zwar ist Unwissenheit nicht straffrei. In der Beurteilung und Sanktionierung von Wirtschaftskriminalität muss trotzdem beachtet werden, ob ein Delikt vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde. Ein Unternehmen bzw. das Steuerungsgremium muss sicherstellen, dass die Mitarbeiter sowohl die gesetzlichen als auch die Compliance-Richtlinien und deren Veränderungen verstehen sowie anwenden.


Motiv: Karrierestreben

Das Karrierestreben Einzelner kann zum Motiv für Wirtschaftskriminalität werden. Wer aufsteigen will, kommt fast zwangsläufig in die Situation, Bilanzen, Zeugnisse und sonstige Unterlagen zu manipulieren oder zu fälschen.


Motiv: Langweile

Auch Langeweile kann zum Motiv doloser Handlungen werden. Der Reiz, Grenzen auszuloten und zu überschreiten, ist tief im Menschen verankert und sollte nicht unter-schätzt werden.


Motiv: Leistungsdruck

Ein häufiger Fall bei der Entstehung von Korruption ist der Druck auf die Performance von Angestellten. Oftmals unterschätzen Führungskräfte den Leistungsdruck auf ihre Mitarbeiter. Sind Zielvorgaben zu ambitioniert oder unmöglich zu erreichen, sind Manipulation und Fälschung häufig der einzige sich bietende Ausweg.


Motiv: Rache

Immer wieder kommen Mitarbeiter in Situationen, in denen sie sich gedemütigt oder persönlich angegriffen fühlen.


Motiv: soziale Anerkennung

Häufig wünschen sich Mitarbeiter im Verkauf und Vertrieb Anerkennung. Durch gelegentliches Lob, ehrliche Wertschätzung sowie aktives Zuhören von Führungskräften könnten manche Delikte im Vorfeld verhindert werden.


Motiv: Gruppenzwang

In Unternehmensbereichen wie dem Einkauf, dem Handel oder dem Aussendienst wird häufig erwartet, uneingeschränkt zu kooperieren.


In einer multikulturellen Gesellschaft kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Mitarbeiter eines Unternehmens und seiner Partnerfirmen die gleichen Moralvorstellungen haben. Wir können nicht davon ausgehen, dass alle Menschen die gleichen Moralvorstellungen haben, und zwar unabhängig von der Herkunft und der Kultur, zeigt der Fall von Pierin Vincenz, der aktuell die Schweizer Gerichte und die Medienlandschaft beschäftigt (Nordwestschweiz Netz, 2020). Hierbei ist zu entscheiden, ob es moralisch vertretbar ist, dass ein angestellter Geschäftsführer mit einem Jahresgehalt von über 2 Mio. Schweizer Franken insgesamt über 200'000 Schweizer Franken für Champagner, Cabaret-Besuche und Stripperinnen ausgegeben, mit der Firmenkreditkarte bezahlt und als Geschäftsspesen abgerechnet hat. Dieses Beispiel zeigt, dass das Definieren, Kommunizieren und die fortlaufende Sensibilisierung hinsichtlich ethischer Richtlinien von zentraler Bedeutung sind. Bei nationalen und insbesondere bei internationalen Programmen oder Projekten gewinnt diese Thematik entsprechend an Bedeutung, wenn Mitarbeiter unterschiedlicher Kulturen involviert sind.


Es ist daher für Unternehmen empfehlenswert, über alle Hierarchiestufen hinweg klar definierte ethische Richtlinien zu definieren, die Mitarbeiter über diese zu orientieren und diese anzuwenden.


Literaturverzeichnis:

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